Ein Traum in Rot by Alexander Lernet-Holenia

Ein Traum in Rot by Alexander Lernet-Holenia

Autor:Alexander Lernet-Holenia [Lernet-Holenia, Alexander]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 3458344195
Herausgeber: Insel
veröffentlicht: 2000-12-31T23:00:00+00:00


9

Aus Furcht, sich lächerlich zu machen, wagte Chlodowski natürlich nicht, seinem Neffen, ja nicht einmal seiner Familie etwas von dieser Szene zu erzählen, wenngleich sie ihn, neben seinen übrigen Sorgen, fortwährend beschäftigte. Er fing sogar an, aus den Fenstern des Saals, in welchem er nun, der Gesellschaft Ananchins beraubt, alleine umherging, die Leute zu beobachten, konnte aber nichts Wesentliches wahrnehmen, es sei denn, daß, wenn Michail nach Czerwona Wola fuhr, tatsächlich jedesmal eine ziemliche Ansammlung des nichtadeligen Personals auf dem Hofe entstand. Aus allen Stalltüren blickten dann die Leute, und insbesondere Dascha schlich immerzu um den Wagen. Denn Michail hatte seinen Wagen, einen Peugeot, aus Warschau nachkommen lassen. Er beabsichtigte, so schien es, bis auf weiteres zu bleiben.

Dies begann nun auch schon den Chlodowski mit einem gewissen Unbehagen zu erfüllen. Noch weiter verschlechtert aber wurde seine Stimmung auch durch Konstantin Sarembas immer weiter fortgesetzten Aufenthalt. Konstantin nämlich, der bei Elisabeth kein Gehör fand, verlor sich mit Stanislaus, der durchaus seine Partei ergriffen hatte, in lange Gespräche über die Herzlosigkeit des Mädchens, so daß ihm Chlodowski in einem Anfalle von Ungeduld schließlich sagte: »Mein Sohn, es ist mir zwar, nach wie vor, ein Fest, daß du hier bist, hieltest du’s aber, in deinem eigenen Interesse, nicht dennoch für besser, wenn du, zumindest auf eine Zeit, wieder nach Hause führst? Wenn eine Frau ihr Glück einfach nicht wahrhaben will, so soll man sie dazu nicht zwingen wollen, das nützt gar nichts, im Gegenteil, es schadet bloß, und sie wird immer noch widerspenstiger. Verzichtet man aber auf eine Frau freiwillig, oder scheint man, zumindest, auf sie zu verzichten, so fängt sie an, sich für einen wieder zu interessieren, ja sie läuft einem schließlich geradezu nach, weil es ihr unbegreiflich ist, daß man sie verschmäht. Wenn du also hier herumsitzt, wirst du meiner Stieftochter immer nur noch zuwiderer werden. Reisest du aber ab, so wird sie dich plötzlich zurückwünschen. Ich kenne doch die Frauen. Sie sind nun einmal so. Versuch’s also auf diese Art. Auf jeden Fall aber: reise!«

Konstantin, indem er sich, in schöner und melancholischer Haltung, auf eine der Spiegelkonsolen stützte, erwiderte:

»Ich weiß, welch ein Fehler es gewesen ist, überhaupt zurückzukommen. Ich hätte es nicht tun sollen. Aber ich konnte nicht anders. Ich liebe Elisabeth.«

»Schön«, sagte Chlodowski. »Sie aber liebt dich ganz offensichtlich nicht.«

»Das ändert nichts an meinen Gefühlen«, sagte Konstantin. »Ich suche ja nicht meinen Vorteil. Was wäre das für ein Gefühl, das nur seinen Vorteil suchte! Ich habe nichts als den Wunsch, ihr mein Herz darzubringen. Freilich wäre ich glücklich, wenn sie mir ihres dafür schenkte. Aber ganz unglücklich machen, selbst indem sie das meine zurückweist, kann sie mich dennoch nicht. Vielleicht macht mich selbst der Schmerz; den sie mir bereitet, glücklich, weil sie es ist, die ihn mir zufügt.«

»Nun«, sagte Chlodowski, »ich kann mir ein größeres Glück vorstellen. Ich erinnere mich da an eine Frau, die … doch lassen wir das! Was also beabsichtigst du nun eigentlich zu tun?«

»Ich reise«, sagte Konstantin nach einem Moment. »Ich nehme deinen Rat an und reise schon morgen.



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